Im Eigenheim ist die Wärmepumpe bereits angekommen. Die Verkaufszahlen boomen nicht nur in der Schweiz, sondern auch in ganz Europa. Doch was leisten solche Hightech-Pumpen überhaupt und wieso werden sie bald auch in der Prozessindustrie immer öfters anzutreffen sein? Hier gibt es einen Überblick.
Wärmepumpen nutzen die wertvolle Energie, die in Wärme steckt. Sie wandeln also beispielsweise die restliche Energie aus der kälteren Umgebungsluft in Wärme für die Heizung um. Sie übernehmen die thermische Energie von kühleren Systemen und übertragen diese auf Funktionen, die höhere Temperaturen benötigen. Die Pumpe verdichtet sozusagen die Energie und macht sie somit energiereicher. Hierzu braucht sie nur etwas Strom – am besten aus möglichst umweltschonenden Quellen. Wärmepumpen ersetzen bereits heute Öl- oder Gasheizungen. Insgesamt reduzieren sie also den Bedarf an fossilen Rohstoffen.
Beliebt im Privathaushalt
In 90 Prozent aller Neubauten in der Schweiz arbeiten bereits Wärmepumpen für eine optimale Energieversorgung der Privathaushalte. Und in Europa schnellten 2021 die Verkaufszahlen in die Höhe. Rund 560 000 Stück mehr als im Vorjahr wurden in Betrieb genommen. Das entspricht einem Plus von 34 Prozent. Total sind also fast 17 Millionen Wärmepumpen in ganz Europa installiert. Die European Heat Pump Association (EHPA) schätzt, dass die Wärmepumpen rund 14 Prozent des potenziellen Marktes abdecken. Die Industrie hat der Verband aber in dieser Rechnung nicht miteinbezogen.
Die Industrie hinkt (noch) hinterher
In der Industrie sieht die Situation noch ganz anders aus. Im Gegensatz zum Privathaushalt kann eine Wärmepumpe in einer Fabrik für viele Prozesse angewendet werden, bei denen sehr hohe Temperaturen benötigt werden. Und für diese Aufgaben braucht es unter anderem geeignete Kältemittel mit niedrigem Treibhauspotenzial und Kompressoren, denen hohe Temperaturen nichts ausmachen. Man spricht daher auch von Hochtemperatur-Wärmepumpen. Solche Grosswärmepumpen verfügen über eine Leistung von 100 kW bis zu einigen 1000 kW. Für viele Prozessanwendungen im Temperaturbereich bis 100 °C ist die Pumptechnologie heute schon längst marktreif. Und Wärmequellen gibt es für die Pumpen in der Industrie zu Hauf in Form von Abwärme bei Abwasser, Abluft aus Öfen oder Kühlwasser. Dennoch wird die Prozesswärme oft noch aus fossiler Energie wie Kohle, Öl oder Gas gewonnen.
Schweizer Chemie und Pharma würde am meisten profitieren
Gerade in der Chemie sind für bestimmte Prozesse wie Destillation oder Kompression manchmal auch Temperaturen weit über 100 °C nötig. Für Betriebstemperaturen von über 140 °C braucht es noch weitere Forschungen im Labor- bzw. Pilotmassstab. Hier ist die Pumptechnik also noch nicht so weit, dass man von einer problemlosen Marktreife sprechen könnte.
In der Summe beansprucht in der Schweiz die chemisch-pharmazeutische Industrie den grössten Wärmebedarf (über 25 Billiarden Joule im Jahr 2015). Sie würde am meisten von technologisch optimierten Industriewärmepumpen profitieren. Bedeutend weniger Wärme benötigt beispielsweise die Papier- oder die Maschinenbauindustrie (ca. 8 bzw. 2,5 Billarden Joule im Jahr 2015).
In der Lebensmittelindustrie könnte die aktuelle Technologie auf dem Markt viele Prozesse wie z. B. Räuchern (20–80 °C), Temperieren (40–80 °C) oder Sieden (70–100 °C) bereits heute abdecken. Dennoch wird die Wärmepumpe im industriellen Alltag kaum eingesetzt. Dies könnte sich in den kommenden Jahren – je nach Stromkosten und Energiesituation – drastisch ändern.
Kaffee rösten mit einer Wärmepumpe
Eine besonders anschauliche Anwendung der Wärmepumpe in der Lebensmittelindustrie liefert das belgische Ingenieur-Unternehmen CEE-Engineering. Sie wollten mithilfe einer Wärmepumpe Kaffee rösten. Für dieses ambitionierte Ziel mussten sie den ganzen Röstprozess von Beginn an analysieren und ein neues Röstverfahren entwickeln.
Die Schwierigkeit bei diesem Projekt war aber eine viel grundlegendere: Woher soll der Strom für die Wärmepumpe kommen? Die Integration einer Wärmepumpe in einen Prozess ergibt nur Sinn, wenn der Strom für die Versorgung der Pumpe «ökologisch» ist. Das heisst, wenn der Strom aus einer erneuerbaren Quelle stammt. Bei CEE-Engineering liefert Solarenergie die nötige Energie. Bei Engpässen müssen sie allerdings Elektrizität vom Stromnetz beziehen. Laut CEE spart die neue Anlage bis zu 70 Prozent Energie ein. Aber wieso eigentlich?
Da die Ingenieure den Prozess der Kaffeeröstung mit Experten genau analysiert hatten, stellten sie fest, dass sie die Spitzentemperatur von 450 °C auf 220 °C senken und dabei die Röstzeit von sechs auf zwölf Minuten verlängern konnten. Das Röstverfahren war neu nicht mehr als ein klassisches Batchverfahren konzipiert, sondern läuft kontinuierlich mit acht Behandlungszonen für die Bohnen. Das alles spart Energie. Seit 2019 wird der Kaffee vom Schwesterunternehmen Ray & Jules bis heute als «solar gerösteter Kaffee» vertrieben.
Bundesbeiträge für industrielle Wärmepumpen
In der Schweiz lockt das Bundesamt für Energie (BFE) mit finanziellen Anreizen. Im Rahmen des Förderprogramms «Wärmepumpen für Prozesswärme» von Energie Schweiz (gehört zum BFE) erhalten diejenigen Unternehmen einen finanziellen Zustupf, die Prozesswärme mit einer Wärmepumpe produzieren. Der Förderbeitrag soll bis zu 40 Prozent der Mehrinvestitionskosten abdecken.
Das Schweizer Pharmaunternehmen Bachem AG verwendet bereits heute Wärmepumpen. Da die Produktion im Unternehmen in den vergangenen Jahren stark zugenommen hatte, tauchte die Idee auf, die Kälteanlage für bestimmte Produktionsprozesse mit einer Wärmepumpe zu kombinieren. Diese Pumpe stellt 70 °C heisses Wasser für das Wärmenetz mehrerer Gebäude zur Verfügung. Damit soll der Anteil an fossilen Brennstoffen um mehr als einen Drittel gesenkt worden sein.
Da die Industrie unter enormen Druck steht, von fossilen Energieträgern unabhängiger zu werden und weil die Forschung rund um das Thema Wärmepumpe in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt hat, werden die Wärmepumpen – sofern die Strompreise wieder sinken – in den kommenden Jahren einen starken Aufschwung erleben. Denn auch wenn sie nicht zu 100 Prozent mit «Öko»-Strom laufen, sie verwerten die Energie in den Prozessen auf sinnvolle Art und Weise.
Roger Bieri