LIMS bringen Effizienz und Flexibilität in den Laboralltag. Doch eine solide Planung bei der Implementierung ist notwendig. Der Tiergesundheitsdienst Bayern hat ein LIMS eingeführt – und profitiert jetzt nicht nur im Bereich der Auftragsverwaltung und des Probenmanagements.
Der Tiergesundheitsdienst Bayern (TGD) ist eine Selbsthilfeeinrichtung der bayerischen Landwirtschaft mit grosser Verantwortung für alle wichtigen Nutztierarten. Im Mittelpunkt steht die Gesundheit der Tiere und damit auch die Sicherstellung gesundheitlich einwandfreier Nahrungsmittel, die von diesen Tieren stammen. Doch wie erfüllt man diesen Auftrag am besten?
Das Herzstück der gesamten Infrastruktur ist beim TGD Bayern ein Labor-Informations und Management-System, das Dienstleistung, menschliche Skills und Analysedaten in Form eines Auftrages zusammenführt und verwaltet. «Bei der Digitalisierung von Unternehmensprozessen ist es wichtig, dass man sowohl die eigenen Prozesse wie auch die Firmen-Infrastruktur und Bedürfnisse aller Stakeholder kennt», sagt Sabine Otto, IT-Leiterin beim TGD. «Nur dann verschmelzen alle Komponenten zu einer effizienten Arbeitsumgebung.»
Das war vor 10 Jahren keineswegs der Fall. Damals wurden die Aufträge in Papierform verwaltet, man war also weit entfernt von einem holistischen Ansatz. Als der Excel-Dschungel und selbstgestrickte Datenbanken dem wachsenden Auftragsvolumen nicht mehr gerecht wurden, engagierte man einen externen Dienstleister. Dieser war aber nicht vom Fach und verstand die Laborumgebung zu wenig – der Tiefpunkt war erreicht. Gemeinsam mit der Geschäftsleitung machte sich Frau Otto auf die Suche nach einem LIMS und definierte einen Anforderungskatalog. Erfüllen konnte diesen die AAC Infotray AG, die neben «Limsophy LIMS» auch Fachwissen und Erfahrung in das Projekt einbrachte.
System durch Prozesse geformt
Der Tiergesundheitsdienst bietet ein umfangreiches Spektrum an Dienstleistungen in den Bereichen Diagnostik, Tiergesundheit und Beratung an, wobei sich der Auftrag nicht nur auf die grossen Nutztierarten konzentriert, sondern auch Bienen und Fische umfasst. Landwirte können sich zum Umgang mit Maul-und-Klauenseuche beraten lassen, zum optimalen Ausbau ihrer Ställe, der Belüftung oder zur Ernährung ihrer Tiere. Die Leistungen des TGD stehen den praktizierenden Tierärzten genauso zur Verfügung wie der interessierten Wirtschaft. Zwei weitere wichtige Bereiche sind die praxisorientierten Forschungsaufträge , die vom Bund und dem Freistaat Bayern vergeben werden, oder die Einbindung in landesweite Untersuchungs- und Bekämpfungsprogramme gegen Seuchen.
Das Labor des TGD Bayern findet täglich die Balance zwischen diesen verschiedenen Anforderungen: einerseits wenige Proben mit grossem Verwaltungsaufwand, andererseits Massenproben mit hohem Durchsatz, die gleichzeitig auch zeitkritisch sind. Limsophy LIMS puffert die Heterogenität dieser Aufträge, indem es den Auftrag als zentrales Element erstellt und die Zusatzinformationen zu Landwirt, Proben und Medikamenten mit diesem Auftrag verknüpft. Die gleiche Komplexität herrscht bei den Rechnungen. So hat z.B. jedes Tier eine eigene Verrechnungsklasse, die Stundensätze von Ärzten oder Technikern sind verschieden hoch, viele Landwirte sind Mitglied bei einem Agrarverband, wo sie günstigere Konditionen für Veterinärdienstleistungen erhalten. Die Medikamente und Sachmittel kommen als krönender Abschluss noch hinzu.
«Unsere Fakturierung stellt sehr hohe Anforderungen an das Laborsystem», sagt IT-Leiterin Otto. «Das geht so weit, dass gewisse Aufträge mehrere Rechnungsempfänger haben können: den Landwirt, seinen Verband und vielleicht noch eine Ausgleichskasse. Unser LIMS stellt für diese verschiedenen Leistungsempfänger gesammelte Rechnungen zusammen, sodass nicht jede Rechnung einzeln verschickt werden muss.» Die Komplexität bei diesen Rechnungsvarianten konnte im Vorfeld unmöglich antizipiert werden. Es braucht also eine Software, die sich an diese unerwarteten Situationen anpassen kann. Die Umsetzung von spezifischen Anforderungen wird in solchen Fällen vom Team des TGD Bayern und der Projektleitung der AAC Infotray AG gemeinsam ausgearbeitet, wobei oft Erfahrungswerte aus anderen LIMS-Projekten in die Lösung einfliessen.
Beeindruckendes «Perlenprinzip»
Die Expertise des LIMS-Herstellers im Laborumfeld ist ein wichtiges Kriterium. Dr. Claudia Nessler, Laborleiterin und LIMS-Beauftragte: «Bei AAC Infotray hat uns gefallen, dass die Projektleitung ausschliesslich aus Naturwissenschaftlern besteht, die uns verstehen und auf Augenhöhe begegnen. Beeindruckt waren wir vom ‹Perlenprinzip› der Software, was vereinfacht bedeutet, dass die Daten in verschiedenen Modulen und Darstellungen betrachtet werden können. Dadurch ist eine komplexere Analyse möglich.» Die enge Zusammenarbeit im Team führt fast immer zu den besten Ergebnissen. Daher einigte man sich darauf – auch nach Projektabschluss – wöchentliche Meetings abzuhalten, um die Anwendung weiter zu optimieren. Mittlerweile ist dabei die 156. Version der angepassten Basissoftware entstanden.
Tiergesundheitsdienst Bayern
Der TGD besitzt 10 Standorte und betreibt mehrere Labore am Hauptstandort Poing. 260 Angestellte, darunter Tierärzte, Beratungs- und Laborpersonal werten im Jahr 3 Millionen Proben aus und untersuchen unzählige Tiere. Ohne unterstützenden IT-Infrastruktur kann ein solcher Betrieb heute nicht aufrechterhalten werden.
«Technisch können wir fast alles selbst machen, aber wir brauchen die Meetings, um das System weiterzuentwickeln – und da sind unzählige gute Ideen entstanden», berichtet Sabine Otto. «Als zum Beispiel das Lizenzmodell des ERP-Systems vom Hersteller über Nacht geändert wurde, mussten wir dieses System kurzfristig ersetzen. Bei den wöchentlichen Meetings kam das Problem zur Sprache und als Lösung bot Limsophy ein fertig integrierbares Modul zur Chemikalien- und Referenzsubstanzenverwaltung an, das nach kleinen Anpassungen die Aufgaben des ERP übernehmen konnte.»
Neue Geschäftsmodelle mit Limsophy
Der TGD Bayern unterhält an allen Standorten Apotheken mit Medikamenten, die aus rechtlichen Gründen streng getrennt sein müssen. An jedem Standort ist ein Arzt verantwortlich für die Medikamentenlogistik. Die Angestellten müssen wissen, wo das jeweilige Medikament liegt, was dank des aufgedruckten Barcodes problemlos möglich ist. Wenn eine Packung die Apotheke verlässt, wird der neue Standort des Medikaments in Limsophy erfasst. Der neue Standort ist in diesem Fall der Kofferraum eines Tierarztes, wo die Medikamente bis zur Abgabe an den Landwirt verbleiben. Falls bei der Behandlung nur ein Teil der Verpackungseinheit verbraucht wird, notiert man auch das in Limsophy und die restlichen Packungen oder Flaschen können bei einem neuen Einsatz weiterverwendet werden. Diese mobilen Apotheken werden bei der halbjährlichen Inventur des TGD Bayern genauso wie die Apotheken an den Standorten mitkontrolliert. Das LIMS ermöglicht jederzeit eine Übersicht über den Bestand. Ein weiterer Vorteil der LIMS-Integration: die Medikamentenlogistik ist automatisch mit dem Rechnungs- oder Berichtsmodul verknüpft. So wurde aus der anfänglichen Idee einer einfachen Verwaltung von Substanzen eine komplette digitale Medikamentenverwaltung.
Wie in jedem Labor tauchen beim TGD immer wieder neue Situationen auf, bei denen bestehende Prozesse verändert werden müssen. So zum Beispiel die Anpassung eines Importfilters für ein neues Gerät oder eine geänderte Methode. Auch bei der Logistik können plötzlich neue Prozesse hinzukommen: Momentan wird die Probenanlieferung aus den unzähligen Schlachthöfen Bayerns noch in Papierform abgewickelt, aber demnächst soll jedes Paket einen Barcode erhalten und Limsophy die digitalen Sendungsnachweise einschliesslich Zeitstempel an jedem Übergabeort übernehmen. Kann sich das LIMS an solche neuen Herausforderungen anpassen, macht das den Kunden unabhängig und reaktionsfähig. So kann ein Labor flexibel neue Geschäftsmodelle entwickeln.
Sicherer, schneller, transparenter
Die LIMS-Installation und der damit verbundene Aufwand seitens Kundschaft und Projektleitung ist eine Investition in die Zukunft. Ist die Software einmal eingeführt, wird sie zu einem vollwertigen Mitglied der Laborgemeinschaft. «Wir arbeiten sicherer, schneller und transparenter», fasst Sabine Otto zusammen. «Wir sparen auch Kosten, indem wir nur noch mit einer Software arbeiten und die Mitarbeitenden nur noch in einer Software schulen müssen.»
Der TGD Bayern feierte 2024 seinen 75. Geburtstag. Und die IT-Leiterin ist davon überzeugt, dass auf Basis des permanenten LIMS-Ausbaus noch viele erfolgreiche Dekaden vor ihnen liegen: «Bislang wurde noch kein einziger unserer Wünsche nicht erfüllt.» Beispielsweise können über das integrierte Web-Interface die Probenergebnisse und die Antibiotikanutzung an die staatliche HIT-Datenbank übermittelt werden. Dafür wurde ein eigenes HIT-Modul gebaut. Frau Otto sagt abschliessend: «Mit Limsophy können wir uns generell viel besser auf neue Situationen vorbereiten.»
Mark Schneider, AAC Infotray AG